Interview GS Sande (Praxispartner des DiPoSa-Projekts)

Die Grundschule Sande in Paderborn arbeitet eng mit dem DiPoSa-Projekt zusammen. Im Interview erläutert Klassenlehrerin Raphaela Ruthmann das Konzept der Schule und gibt Einblicke in die Arbeit mit DiPoSa.

Interview des Metavorhabens Inklusive Bildung mit Frau Raphaela Ruthmann von der Grundschule Sande im Rahmen des Newsletters Nr.4 /2023

Beschreibung der Institution

Bildungsbereich: Inklusiver Sachunterricht  

Zielgruppe(n): Lehrkräfte

Die Grundschule Sande ist eine inklusive Schule und nimmt jedes Kind so auf, wie es ist. Jedes Kind kann in der Schulgemeinschaft leben und lernen und wird so gefördert und gefordert, dass es seine Lernziele erreichen kann. Das Leitziel lautet: „Wir alle gehören zusammen und gemeinsam sind wir stark!“ Dieses Leitbild ist entstanden, weil die Grundschule Sande früh festgestellt hat, wie unterschiedlich die Kinder sind, die in die Schule kommen. Jeder Lehrer und jede Lehrerin der Grundschule Sande hat das anspruchsvolle Ziel, jedes Kind möglichst gut gemäß seinen individuellen Bedürfnissen zu fördern. Dieses Ziel kann nur erreicht werden, wenn dazu viele Personen vertrauensvoll zusammenarbeiten und konzeptionell, räumlich und personell gute Bedingungen geschaffen werden.

Die individuelle Förderung ist der Schlüssel zur Inklusion und ein großes Anliegen der Grundschule Sande. Im Unterricht ist individuelle Förderung vor allem dann möglich, wenn offene Unterrichtsformen genutzt werden und Kinder im selbstgesteuerten Lernen begleitet werden können. Individuelles Lernen und Lernbegleitung durch Lehrkräfte und Sonderpädagogen findet in allen Klassen in den täglichen Lernzeiten statt.  Auch Projekte im Sachunterricht, Lernumgebungen, sowie Methoden-, Kommunikations- und Kooperationstraining und Lernspiralen ermöglichen individuelles Fördern und Fordern. Dieses Lernen findet an der Grundschule Sande in gemeinsamen Projektzeiten statt, die fächerübergreifend organisiert sind und das Lernen an einem gemeinsamen Thema ermöglichen.

Kurze Vorstellung der Person:

Raphaela Ruthmann ist Grundschullehrerin an der Grundschule Sande. Sie hat Sprachliche Grundbildung, Mathematische Grundbildung und Natur-/Gesellschaftswissenschaften an der Universität Paderborn studiert und während Ihres Studiums das Montessoridiplom erworben. Seit 2018 ist sie Klassenlehrerin einer jahrgangsübergreifenden Klasse (1./2. Klasse) an der Grundschule Sande.

Interview:

 

Wie kam die Zusammenarbeit mit DiPosa zustande?

Der Kontakt nach meinem Studium zu Prof. Dr. Eva Blumberg ist nie abgebrochen, da für mich der Austausch auf universitärere Ebene immer große Bedeutung hatte. Wie kann man die universitäre Forschung mit der Schulpraxis besser verzahnen? Diese Frage hat mich immer beschäftigt.

Anfang des Jahres 2022 hat Prof. Dr. Eva Blumberg mich auf das DiPosa Projekt aufmerksam gemacht und mich gefragt, ob ich mir eine Zusammenarbeit in der Projektgruppe vorstellen könne. Nachdem ich mich mit dem Projektkonzept vertraut gemacht habe, war ich sofort von dem Projekt begeistert.

Welche Rolle hat die Grundschule Sande im Projekt DiPoSa?

DiPoSa ist ein gemeinsames Verbundprojekt der Universitäten Bielefeld und Paderborn, das in Kooperation mit Moderatorinnen und Moderatoren für den Sachunterricht aus den Kompetenzteams der Schulamtsbezirke Bielefeld, Herford, Gütersloh und Paderborn angeboten wird. DiPoSa verfolgt die Idee, dass gerade der Sachunterricht vielfältige Lernsituationen bietet, in denen Lernende sowohl in ihrem fachlichen Lernen als auch in ihrer individuellen Entwicklung Stärken zeigen und Interessen ausbilden können. Diese sollen gezielt identifiziert und daraus einen praxisorientierten Ansatz für ein Konzept zur (Aus-)Bildung diagnostischer Kompetenzen von Lehrkräften entwickelt werden.

Mit fortbildungs- und inklusionserfahrenen Sachunterrichtslehrkräften und deren videogestützter Begleitung im Unterricht wird die bereits vorhandene didaktische Kompetenz des Lehrpersonals als Basis für Aus- und Fortbildungsmodule identifiziert. Dafür werden sogenannte Videovignetten mit unterschiedlichen Diagnosesituationen entwickelt.

Wie lange läuft die Praxisphase in der Schule mit DiPosa, in welcher Jahrgangsstufe wird sie durchgeführt und wie viele Klassen sind beteiligt?

Ich bin im Oktober 2022 mit der Praxisphase an unserer Schule gestartet. Dies ist bei den teilnehmenden Schulen aus organisatorischen Gründen unterschiedlich verlaufen.

Bis Februar 2023 wurden zwei Unterrichtseinheiten während meines Sachunterrichtes im Rahmen des Diposa Projekts vollständig aufgezeichnet. Am Unterricht teilgenommen hat meine eigene, jahrgangsübergreifende 1./2. Klasse. Ich habe zu Beginn des Schuljahres auf einem Elternabend ausführlich die Eltern der Schülerinnen und Schüler über das Projekt informiert, sodass ich mich über viele unterschriebene Einverständniserklärungen der Eltern gefreut habe. Insgesamt haben 20 Schülerinnen und Schüler am Projekt teilgenommen. Die Klasse ist sehr heterogen, sodass im Sachunterricht Schülerinnen und Schüler mit besonderem Unterstützungsbedarf und mit ausgewiesenen sonderpädagogischem Förderbedarf (ESE, Lernen, Sprache, geistige Behinderung) teilnehmen.

Wie profitieren die Schüler:innen von der Zusammenarbeit zwischen Schule und Projekt?

Für die teilnehmenden Schülerinnen und Schüler war die Teilnahme am Projekt eine interessante Erfahrung. Sie haben vorab einen Einblick in die Arbeit an einer Universität erhalten.

Natürlich profitieren die Schülerinnen und Schüler dadurch, dass die teilnehmenden Lehrkräfte noch einmal intensiver den eigenen Unterricht reflektieren und evaluieren.  Es werden für den eigenen Unterricht Schlüsse und Konsequenzen aus den analysierten Unterrichtssequenzen abgeleitet, wodurch alle vorhandenen Lernpotentiale der Lerngruppe in den Blick genommen und ausgeschöpft werden.

Des Weiteren wird eine extra neu konzipierte Lernplattform mit den Erkenntnissen aus dem DiPosa Projektes den Studierenden schon in der Lehre zur Verfügung gestellt. Anhand von Beobachtungs- und Analyseaufgaben können sie schon während des Studiums praxisnah erfahren welche Potentiale der inklusive Sachunterricht bietet und wie dieser gestaltet werden kann. 

Jede teilnehmende Schule hat zudem neue Unterrichtsmaterialien erhalten, die von den Schülerinnen und Schüler im Fach Sachunterricht verwendet werden können.

Hat sich Ihre Perspektive auf das Thema förderbezogene Diagnostik durch die Arbeit mit dem Projekt verändert?

Mir lag schon vor der Teilnahme am DiPoSa Projekt das Thema förderbezogene Diagnostik sehr am Herzen. Das multiprofessionelle Team an inklusiven Schulen muss alle Schülerinnen und Schüler im Blick haben und ihre Potenziale bestmöglich nutzen. Dies dient als Grundlage für die persönliche Entwicklung, soziale Teilhabe und ein selbstbestimmtes Leben der Lernenden und sollte stets immer im Vordergrund des pädagogischen Handelns einer Lehrkraft liegen. 

Die Arbeit im Projekt hat natürlich eine intensivere Beschäftigung mit der Thematik hervorgerufen. Ich habe einen verschärften Blick bzgl. der Gestaltung inklusiver Lehr-Lern-Prozesse im Fach Sachunterricht aber auch viel Bestätigung in meinen bereits vorhandenen Unterrichtsstrukturen erhalten. Häufig verliert man durch den turbulenten Unterrichtsalltag die eigene persönliche Weiterentwicklung im Bereich der innovativen Diagnose- und Unterstützungsmaßnahmen, die sich an den individuellen Lebens- und Lernverhältnissen der Schülerinnen und Schüler orientieren, aus den Augen.

Wie schätzen Sie die Chancen ein, dass die Erkenntnisse aus dem Projekt Eingang in den Schulalltag finden?

Die Lernplattform, die im Rahmen des DiPoSa Projektes entwickelt wird, enthält ein breites Spektrum an praxisorientierter Unterrichtssequenzen und aktueller Literatur zum Weiterbilden bzgl. inklusiv ausgerichteter Sachunterrichtskonzepte. Es wird auf eine einfache Handhabung und viel Praxisnähe großen Wert gelegt. Durch Fortbildungskonzepte, die vom gesamten Projektteam extra entwickelt werden, sollen möglichst viele Lehrkräfte Zugang zu den Erkenntnissen aus dem Projekt auf direktem Wege erhalten. Dazu zählt u.a. der Zugang der neu konzipierten Lernplattform. Natürlich ist es zusätzlich auch wichtig, dass Lehrkräfte offen gegenüber Weiter- und Fortbildungen im Bereich des inklusiven Sachunterrichts sind.

Goethe-Universität Frankfurt
Fachbereich Erziehungswissenschaften
Institut für Sonderpädagogik
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