NEWSLETTER
Herzlich Willkommen!
Über diesen Newsletter erhalten Sie Informationen zu den neusten Entwicklungen aus der Förderrichtlinie “Förderbezogene Diagnostik in der inklusiven Bildung” (InkBi 2).
Die Förderrichtlinie ist im Rahmenprogramm “Empirische Bildungsforschung” des Bundesministeriums für Bildung und Forschung angesiedelt und umfasst 28 Forschungsprojekte.
Im Newsletter berichten wir über die neusten Aktivitäten des Metavorhabens Inklusive Bildung, sowie der an InkBi 2 beteiligten Projekte. Außerdem haben wir in unserer Rubrik “Neues aus dem Veranstaltungskalender” Veranstaltungen zum Thema Inklusion zusammengetragen. Darüberhinaus gibt es in jeder Ausgabe ein Interview mit einem der an InkBi 2 beteiligten Projekte.
Im “Newsletterarchiv” haben wir vergangene Newsletter für Sie bereitgestellt, so können Sie einen Einblick erhalten.
Interviews aus der Praxis
Interview des Metavorhabens Inklusive Bildung mit Frau Raphaela Ruthmann von der Grundschule Sande im Rahmen des Newsletters Nr.4 /2023
Beschreibung der Institution
Bildungsbereich: Inklusiver Sachunterricht
Zielgruppe(n): Lehrkräfte
Die Grundschule Sande ist eine inklusive Schule und nimmt jedes Kind so auf, wie es ist. Jedes Kind kann in der Schulgemeinschaft leben und lernen und wird so gefördert und gefordert, dass es seine Lernziele erreichen kann. Das Leitziel lautet: „Wir alle gehören zusammen und gemeinsam sind wir stark!“ Dieses Leitbild ist entstanden, weil die Grundschule Sande früh festgestellt hat, wie unterschiedlich die Kinder sind, die in die Schule kommen. Jeder Lehrer und jede Lehrerin der Grundschule Sande hat das anspruchsvolle Ziel, jedes Kind möglichst gut gemäß seinen individuellen Bedürfnissen zu fördern. Dieses Ziel kann nur erreicht werden, wenn dazu viele Personen vertrauensvoll zusammenarbeiten und konzeptionell, räumlich und personell gute Bedingungen geschaffen werden.
Die individuelle Förderung ist der Schlüssel zur Inklusion und ein großes Anliegen der Grundschule Sande. Im Unterricht ist individuelle Förderung vor allem dann möglich, wenn offene Unterrichtsformen genutzt werden und Kinder im selbstgesteuerten Lernen begleitet werden können. Individuelles Lernen und Lernbegleitung durch Lehrkräfte und Sonderpädagogen findet in allen Klassen in den täglichen Lernzeiten statt. Auch Projekte im Sachunterricht, Lernumgebungen, sowie Methoden-, Kommunikations- und Kooperationstraining und Lernspiralen ermöglichen individuelles Fördern und Fordern. Dieses Lernen findet an der Grundschule Sande in gemeinsamen Projektzeiten statt, die fächerübergreifend organisiert sind und das Lernen an einem gemeinsamen Thema ermöglichen.
Kurze Vorstellung der Person:
Raphaela Ruthmann ist Grundschullehrerin an der Grundschule Sande. Sie hat Sprachliche Grundbildung, Mathematische Grundbildung und Natur-/Gesellschaftswissenschaften an der Universität Paderborn studiert und während Ihres Studiums das Montessoridiplom erworben. Seit 2018 ist sie Klassenlehrerin einer jahrgangsübergreifenden Klasse (1./2. Klasse) an der Grundschule Sande.
Interview:
Wie kam die Zusammenarbeit mit DiPosa zustande?
Der Kontakt nach meinem Studium zu Prof. Dr. Eva Blumberg ist nie abgebrochen, da für mich der Austausch auf universitärere Ebene immer große Bedeutung hatte. Wie kann man die universitäre Forschung mit der Schulpraxis besser verzahnen? Diese Frage hat mich immer beschäftigt.
Anfang des Jahres 2022 hat Prof. Dr. Eva Blumberg mich auf das DiPosa Projekt aufmerksam gemacht und mich gefragt, ob ich mir eine Zusammenarbeit in der Projektgruppe vorstellen könne. Nachdem ich mich mit dem Projektkonzept vertraut gemacht habe, war ich sofort von dem Projekt begeistert.
Welche Rolle hat die Grundschule Sande im Projekt DiPoSa?
DiPoSa ist ein gemeinsames Verbundprojekt der Universitäten Bielefeld und Paderborn, das in Kooperation mit Moderatorinnen und Moderatoren für den Sachunterricht aus den Kompetenzteams der Schulamtsbezirke Bielefeld, Herford, Gütersloh und Paderborn angeboten wird. DiPoSa verfolgt die Idee, dass gerade der Sachunterricht vielfältige Lernsituationen bietet, in denen Lernende sowohl in ihrem fachlichen Lernen als auch in ihrer individuellen Entwicklung Stärken zeigen und Interessen ausbilden können. Diese sollen gezielt identifiziert und daraus einen praxisorientierten Ansatz für ein Konzept zur (Aus-)Bildung diagnostischer Kompetenzen von Lehrkräften entwickelt werden.
Mit fortbildungs- und inklusionserfahrenen Sachunterrichtslehrkräften und deren videogestützter Begleitung im Unterricht wird die bereits vorhandene didaktische Kompetenz des Lehrpersonals als Basis für Aus- und Fortbildungsmodule identifiziert. Dafür werden sogenannte Videovignetten mit unterschiedlichen Diagnosesituationen entwickelt.
Wie lange läuft die Praxisphase in der Schule mit DiPosa, in welcher Jahrgangsstufe wird sie durchgeführt und wie viele Klassen sind beteiligt?
Ich bin im Oktober 2022 mit der Praxisphase an unserer Schule gestartet. Dies ist bei den teilnehmenden Schulen aus organisatorischen Gründen unterschiedlich verlaufen.
Bis Februar 2023 wurden zwei Unterrichtseinheiten während meines Sachunterrichtes im Rahmen des Diposa Projekts vollständig aufgezeichnet. Am Unterricht teilgenommen hat meine eigene, jahrgangsübergreifende 1./2. Klasse. Ich habe zu Beginn des Schuljahres auf einem Elternabend ausführlich die Eltern der Schülerinnen und Schüler über das Projekt informiert, sodass ich mich über viele unterschriebene Einverständniserklärungen der Eltern gefreut habe. Insgesamt haben 20 Schülerinnen und Schüler am Projekt teilgenommen. Die Klasse ist sehr heterogen, sodass im Sachunterricht Schülerinnen und Schüler mit besonderem Unterstützungsbedarf und mit ausgewiesenen sonderpädagogischem Förderbedarf (ESE, Lernen, Sprache, geistige Behinderung) teilnehmen.
Wie profitieren die Schüler:innen von der Zusammenarbeit zwischen Schule und Projekt?
Für die teilnehmenden Schülerinnen und Schüler war die Teilnahme am Projekt eine interessante Erfahrung. Sie haben vorab einen Einblick in die Arbeit an einer Universität erhalten.
Natürlich profitieren die Schülerinnen und Schüler dadurch, dass die teilnehmenden Lehrkräfte noch einmal intensiver den eigenen Unterricht reflektieren und evaluieren. Es werden für den eigenen Unterricht Schlüsse und Konsequenzen aus den analysierten Unterrichtssequenzen abgeleitet, wodurch alle vorhandenen Lernpotentiale der Lerngruppe in den Blick genommen und ausgeschöpft werden.
Des Weiteren wird eine extra neu konzipierte Lernplattform mit den Erkenntnissen aus dem DiPosa Projektes den Studierenden schon in der Lehre zur Verfügung gestellt. Anhand von Beobachtungs- und Analyseaufgaben können sie schon während des Studiums praxisnah erfahren welche Potentiale der inklusive Sachunterricht bietet und wie dieser gestaltet werden kann.
Jede teilnehmende Schule hat zudem neue Unterrichtsmaterialien erhalten, die von den Schülerinnen und Schüler im Fach Sachunterricht verwendet werden können.
Hat sich Ihre Perspektive auf das Thema förderbezogene Diagnostik durch die Arbeit mit dem Projekt verändert?
Mir lag schon vor der Teilnahme am DiPoSa Projekt das Thema förderbezogene Diagnostik sehr am Herzen. Das multiprofessionelle Team an inklusiven Schulen muss alle Schülerinnen und Schüler im Blick haben und ihre Potenziale bestmöglich nutzen. Dies dient als Grundlage für die persönliche Entwicklung, soziale Teilhabe und ein selbstbestimmtes Leben der Lernenden und sollte stets immer im Vordergrund des pädagogischen Handelns einer Lehrkraft liegen.
Die Arbeit im Projekt hat natürlich eine intensivere Beschäftigung mit der Thematik hervorgerufen. Ich habe einen verschärften Blick bzgl. der Gestaltung inklusiver Lehr-Lern-Prozesse im Fach Sachunterricht aber auch viel Bestätigung in meinen bereits vorhandenen Unterrichtsstrukturen erhalten. Häufig verliert man durch den turbulenten Unterrichtsalltag die eigene persönliche Weiterentwicklung im Bereich der innovativen Diagnose- und Unterstützungsmaßnahmen, die sich an den individuellen Lebens- und Lernverhältnissen der Schülerinnen und Schüler orientieren, aus den Augen.
Wie schätzen Sie die Chancen ein, dass die Erkenntnisse aus dem Projekt Eingang in den Schulalltag finden?
Die Lernplattform, die im Rahmen des DiPoSa Projektes entwickelt wird, enthält ein breites Spektrum an praxisorientierter Unterrichtssequenzen und aktueller Literatur zum Weiterbilden bzgl. inklusiv ausgerichteter Sachunterrichtskonzepte. Es wird auf eine einfache Handhabung und viel Praxisnähe großen Wert gelegt. Durch Fortbildungskonzepte, die vom gesamten Projektteam extra entwickelt werden, sollen möglichst viele Lehrkräfte Zugang zu den Erkenntnissen aus dem Projekt auf direktem Wege erhalten. Dazu zählt u.a. der Zugang der neu konzipierten Lernplattform. Natürlich ist es zusätzlich auch wichtig, dass Lehrkräfte offen gegenüber Weiter- und Fortbildungen im Bereich des inklusiven Sachunterrichts sind.
Interview des Metavorhabens Inklusive Bildung mit Anne Wiechmann vom Familienhaus Uetze (Kooperationspartner LeiK-adaptiv) im Rahmen des Newsletters Nr.1 /2024
Beschreibung der Institution
Bildungsbereich: alle Bildungsbereiche des Niedersächsischen Orientierungsplans für Bildung und Erziehung
Zielgruppe(n): Kinder im Alter von 1 – 6 Jahren (Krippe und Elementarbereich) und (deren) Familien
Das Familienhaus Uetze ist ein Familienzentrum mit Kindertagesstätte.
In der Kindertagesstätte werden bis zu 77 Kinder im Alter von 1 – 6 Jahren betreut und begleitet.
Die Einrichtung arbeitet inklusiv, Grundlagen des Konzeptes sind der Early Excellence Ansatz und die offene Arbeit. Im Familienbereich gibt es die unterschiedlichsten Angebote für Familien jeder Form, z.B.: Stillcafe, Väteraktionen, Internationaler Frauentreff, Eltern-Kind-Gruppe
Kurze Vorstellung der Person:
Anne Wiechmann, Leitung und Koordination, Erzieherin, Multiplikatorin für den Early Excellence Ansatz, Marte Meo Colleague Trainerin
Interview
Wie kam die Zusammenarbeit mit LeiK-adaptiv zustande und seit wann arbeiten Sie zusammen?
Über das Thema Inklusion und Early Excellence bestand schon ein Kontakt zur Uni. Die Kooperation läuft seit dem Vorgänger Projekt KoAkiK, seit 2017. Nach den positiven Erfahrungen aus dem ersten Projekt, war es keine Frage auch am Anschlussprojekt teilzunehmen.
In welchen Bereichen des Familienhauses findet die Zusammenarbeit statt, werden außer der Kita noch andere Bereiche einbezogen?
Es gibt eine Zusammenarbeit im Bereich Kindergarten (Kinder von 3 -6 Jahren). Kolleg*innen aus der Krippe (1 -3 Jahre) haben die Möglichkeit mit einem Bezugskind aus dem Bereich Kindergarten teilzunehmen.
Wie sieht die Zusammenarbeit zwischen Uni und Kita-Team konkret aus?
Es werden Mitarbeitendenfortbildungen durch eine theoretische Einführung und Arbeitstreffen zu Planung, Organisation und Vorgehensweise durchgeführt. Außerdem erfolgt eine regelmäßige Prozessbegleitung in Form von Videoreflexionen.
Welche Auswirkungen hat die Zusammenarbeit mit LeiK-adaptiv auf die alltägliche Praxis, können Sie uns ein Beispiel nennen?
Die Zusammenarbeit bewirkt, dass das Thema kognitive Bildungsbegleitung mehr in den Fokus genommen wird. Fachkräfte setzen sich aktiv damit auseinander. Im Alltag bleibt oft keine Zeit für diese Reflexion, durch die gesetzten Termine findet diese Reflexion statt. Auch nach den Reflexionstreffen bleiben die Kolleg*innen innerhalb des Teams im Austausch.
Wie profitieren die Kinder und das Team von dem Projekt?
Insbesondere durch die Videoreflexion gewinnen Fachkräfte an Einsicht. Sie sehen konkret wo sie sich förderlich verhalten und können sich so positiv weiterentwickeln. Sie gehen Themen an, die sie sich selbst nicht ausgesucht hätten und gewinnen so an Selbstvertrauen. (z.B naturwissenschaftliche Themen).
Kinder profitieren von den Einzelsituationen. Die Videoanalyse zeigt ihre Interessen, daran können dann Fachkräfte weitere Bildungsangebote entwickeln.
Hat sich Ihre Perspektive auf das Thema förderbezogene Diagnostik durch die Arbeit mit LeiK-adaptiv verändert?
Das Team des Familienhauses arbeitet mit den Schwerpunkten offene Arbeit, Early Excellence Ansatz und Marte Meo, insofern ist es den Kolleg*innen ein Anliegen für die Kinder individuelle Bildungsangebote zu entwickeln. Im Fokus standen hier überwiegend die alltagsintegrierten Bildungssituationen, sowie die Aspekte Wohlbefinden, Engagiertheit, sozial-emotionale Entwicklung und dem Folgen der Interessen des Kindes. Durch das Projekt Leik-adaptiv sind die Bereiche naturwissenschaftliche und mathematische Erfahrungen wieder mehr in den Fokus gerückt. Auch das Thema Sprachbildung- und Entwicklung ist noch einmal anders beleuchtet worden.
Die Bildungs- und EntwicklungsBEGLEITENDE Haltung, die den Interessen des Kindes folgt, respektvoll abwartet, ist erweitert worden:
Die Kolleg*innen setzen mehr Impulse, bringen Themen aktiv ein, arbeiten bewusst mit offenen Fragen. Die Bedeutung der Fachkraft-Kind-Interaktion ist in den Fokus gerückt (jede Interaktion ist von Bedeutung, jede (Bildungs-)Situation ist von Bedeutung). Dabei muss Sprache bewusst eingesetzt werden. Die Prozessbegleitungen haben dazu beigetragen, dass die Notwendigkeit einer (stets) professionellen Haltung in den Fokus gerückt ist.
Wie schätzen Sie die Chancen ein, dass die Erkenntnisse aus dem Projekt Eingang in den Schulalltag finden?
Das ist schwer zu sagen, grundsätzliche Voraussetzung ist die Haltung des Teams dazu.
Sind die Kolleg*innen zur Weiterführung bereit – wird das Projekt verstetigt werden. Es ist Leitungsaufgabe die adaptive Lernunterstützung im Blick zu behalten (wie alle Themen und Bereiche), in Dienstbesprechungen zu thematisieren und auf die Erstellung von Videobeobachtungen und deren Reflexion zu achten, Zeiten zur Verfügung zu stellen. Trägt die Leitung das Thema mit, wird sie sicherstellen, dass es im Fokus bleibt.
Das Familienhaus plant hier eine Kollegin aus dem Projekt mit fünf Wochenstunden freizustellen. Sie wird neben den Marte Meo Reviews, die Leik-adaptiv Reflexionen durchführen.
Man muss aber auch sagen, dass die gesetzlichen Grundlagen in Niedersachsen diese Zeiten nicht vorsehen. Das heißt, wir sind hier auf die Unterstützung und Wertschätzung des Trägers angewiesen.
Zudem ist die personelle Situation in den Kindertagesstätten dramatisch, dies führt dazu, dass oft nur eine (Not-) Betreuung der Kinder möglich ist. Selbst wenn ausreichend Personal vorhanden ist, ist die Fluktuation in den Teams mittlerweile so hoch, dass immer wieder Themen verloren gehen und die Bildungsarbeit leidet.
Sehen Sie für die Verstetigung weiteren Unterstützungsbedarf und wenn ja, welchen?
Die Rahmenbedingungen in Niedersachsen sehen pro Kindergartengruppe (Regelgruppe mit 25 Kindern) eine Vor- und Nachbereitungszeit von 7,5 Stunden vor. Diese Zeit reicht für die anfallenden Aufgaben nicht aus! Dienstbesprechungen, Fallbesprechungen, Dokumentation, Projektentwicklung, Bildungsangebote, Kooperation mit Eltern und Familien, Entwicklungsgespräche, Netzwerkarbeit, Kindeswohlschutz, Konzeptentwicklung, Team Building, und vieles mehr fallen in diese Stunden… Qualität braucht Zeit.
Goethe-Universität Frankfurt
Fachbereich Erziehungswissenschaften
Institut für Sonderpädagogik
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