Sprachbildungsprozesse in inklusiven Klassen im Lernverlauf diagnostizieren und unterstützen
(Prof. Dr. Markus Linnemann, Prof.in Dr.in Gabriele Kniffka, Prof.in Dr.in Petra Gretsch & Prof. Dr. Jürgen Wilbert)
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Bildungsbereich(e)
Fragestellung
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Sprachbildungsprozesse in inklusiven Klassen im Lernverlauf diagnostizieren und unterstützen
Sprachkompetenz ist eine der Schlüsselqualifikationen in unserer hochliteralisierten Gesellschaft. Eine Person ohne ausreichende sprachliche Kompetenzen ist zunehmend bedroht, von gesellschaftlichen Prozessen und Diskursen ausgeschlossen zu werden und somit Veränderungsprozesse in der Gesellschaft nicht mitgestalten zu können. Mit der zunehmenden Digitalisierung im Sinne einer geforderten Media- und Information Literacy gehen neue gesellschaftliche und individuelle Herausforderungen einher, die mit sprachlichen Kompetenzen und Literacies bewältigt werden müssen. Somit ist sprachliche Bildung, bzw. der literate Sprachauf- und ausbau, ein prägendes Element schulischer Bildung – einer inklusiven Bildung für alle Schülerinnen und Schüler mit und ohne sonderpädagogischen Förderbedarf zur Bildungsteilhabe, demokratischer Partizipation und Mündigkeit. Inklusive Sprachliche Bildung verbindet zwei hochrelevante Diversitätslinien, Inklusion und sprachliche Bildung.
Sprachliche Bildung in der Schule heißt, alltagsintegriert, gezielt und systematisch Sprachentwicklungsprozesse in allen Fächern anzuregen und zu begleiten. Sprachliche Bildung richtet den Blick nicht vornehmlich auf besondere Schwierigkeiten und Entwicklungsverzögerungen, sondern auf die Bewältigung von sprachlichen Anforderungen, die mit der Erarbeitung neuer schulischer Inhalte einhergeht.
Sprachliche Bildung ist somit von Anfang an eine relevante Größe für alle Schülerinnen und Schüler in inklusiven schulischen Kontexten. Die Planung und Gestaltung sprachlich bildender Kontexte sowie das Aufgreifen geeigneter Situationen als Kernelemente sprachlicher Bildung setzen diagnostische Informationen zur Sprachkompetenz der Lernenden voraus. Hierzu bedarf es einer Sprachdiagnostik, die nicht auf (Teil-)Leistungsstörungen bei bereits „auffällig gewordenen“ Schülerinnen und Schülern fokussiert, sondern möglichst früh inklusionsdidaktische Handlungsimplikationen mitdenkt.
Übergreifendes Ziel des Projektes ist es, zu erforschen, wie im Lernverlauf kontinuierlich für alle Schülerinnen und Schüler kurze förderbezogene Diagnoseeinheiten zur Erhebung der individuellen Sprachkompetenz so eingesetzt werden können, dass sprachliche Bildung im inklusiven (Sach-Fach-)Unterricht von den Lehrkräften durchgängig systematisch organisiert und auf die Bedarfe der individuellen Schülerinnen und Schüler abgestimmt werden kann. Angesprochen ist hier zum einen die innere und natürliche Differenzierung im Unterricht, zum anderen ein auf den gemeinsamen fachlichen Lerngegenstand bezogenes sprachdidaktisches Handeln im Sinne eines sprachsensiblen Fachunterrichts. Es geht also weniger um eine Diagnostik, die die Förderung isolierter Fertigkeiten einzelner zum Ziel hat, als um eine Weiterentwicklung der Förderdiagnostik zu einer Diagnostik, die im inklusiven Unterricht das Lernen am gemeinsamen Gegenstand möglich macht. Eine so konzipierte förderbezogene Diagnostik geht also von den fach(sprach)lichen Anforderungen aus und gibt Hinweise darauf, welche didaktischen Brücken zu ihrer Bewältigung nötig sind.
Zentrale Hypothesen des Projektes sind, (1) dass Diagnosetools zur Messung sprachlicher Kompetenz, die im Sinne einer Lernverlaufsdiagnostik in kurzer Sukzession angewandt werden, Lehrkräften ökonomisch reliable und valide Informationen für sprachbildendes Handeln zur Verfügung stellen und (2) Lehrkräfte in der Lage sind, ihren Unterricht auf diagnostischen Informationen aufbauend inklusiv und sprachsensibel zu gestalten. Aus diesen Hypothesen lassen sich drei konkrete wissenschaftliche Arbeitsziele formulieren: 1. Die Entwicklung, Erprobung, Evaluation und Veröffentlichung eines Tests zur bildungssprachlichen, inklusiven Lernverlaufsmessung; 2. eine darauf aufbauende Entwicklung und Evaluation von über Fächergrenzen hinweg transferierbaren, bildungssprachlichen Fördermöglichkeiten sowie 3. die Weiterentwicklung und Erprobung statistischer Verfahren sowie lernverlaufsstatistischer Software. Aus diesen drei Zielen ergibt sich auch die Notwendigkeit einer interdisziplinären Zusammenarbeit der drei Projektpartnerinnen.
Dem Projekt liegt ein systemisch-integriertes Transferverständnis zu Grunde, das einen immanenten Zusammenhang von Forschung, Lehre und Transfer sieht, die Gleichwertigkeit der Bereiche anerkannt und deren wechselseitigen Bezüge fördert. Ausgehend von bildungs- und gesellschaftswissenschaftlichen Herausforderungen werden in der Zusammenarbeit mit externen Partner:innen in einem rekursiv-interaktionalen Prozess Antworten entwickelt. Dieser Prozess wird nicht als einseitiger Transfer verstanden, sondern verläuft wechselseitig und führt zu einer Transformation von „Wissen” aller beteiligten Akteure.
Das Projekt SiKLedu bearbeitet die folgende Forschungsfrage:
Wie lässt sich förderbezogene Lernverlaufsdiagnostik sprachlicher Bildung konzipieren und für eine inklusive, unterrichtsintegrierte sprachliche Bildung nutzbar machen?
Das Projekt verbindet qualitative und quantitative Methoden in einem mixed methods-Design.
Das Projekt bedient sich verschiedener Forschungsparadigmen und -methoden und ist interdisziplinär zwischen Unterrichtsforschung, Psychologie und Sprachdidaktik angelegt. Das zugrundeliegende Forschungsdesign kombiniert qualitative und quantitative Forschung. Die förderbezogenen diagnostischen Materialien werden nach den Testgütekriterien für die Entwicklung lernverlaufsorientierter Test (Wilbert & Linnemann, 2011; Wilbert, 2014) konstruiert; die Unterrichtsbeobachtungen kombinieren quantifizierbare und qualitative Aussagen über die Verwendung diagnostischer Information bei der Umsetzung im Unterricht; Befragungen von Lehrkräften werden qualitativ nach Maßgaben der Inhaltsanalyse ausgewertet.
Status: laufend
Laufzeit des Projekts: Oktober 2021 – September 2024
Teilprojekt A, Universität Koblenz: Diagnostik
Teilprojekt B, Pädagogische Hochschule Freiburg: Unterstützung
Teilprojekt C, Universität Münster: Methodik
Jun.-Prof. Dr. Markus Linnemann / Universität Koblenz / Institut für Grundschulpädagogik / Arbeitsbereich Inklusion & Unterrichtsforschung / Universitätsstraße 1, 56070 Koblenz / Tel: +49 261 287-1846 / mlinnemann(at)uni-koblenz.de
Prof.’in Dr. Petra Gretsch / Pädagogische Hochschule Freiburg / Institut für deutsche Sprache und Literatur / Abteilung Sprache Lehramt / Kunzenweg 21, 79117 Freiburg / Tel: +49 761 682-479 / petra.gretsch@ph-freiburg.de
Prof. Dr. Jürgen Wilbert / Universität Potsdam / Department Inklusionspädagogik / Humanwissenschaftliche Fakultät / Karl-Liebknecht-Straße 24-25, 14476 Potsdam / Tel: +49 331 977-6313 / jwilbert(at)uni-potsdam.de
TEAM
Das Projekt SiKLedu ist ein Verbundprojekt, das an mehreren Standorten unterschiedliche Teilprojekte bearbeitet.
Prof. Dr. Markus Linnemann
Verbundkoordination und Projektleitung
Teilprojekt A "Diagnostik"
mlinnemann(at)uni-koblenz.de
Prof.in Dr.in Gabriele Kniffka
Projektleitung
Teilprojekt B "Unterstützung"
gabriele.kniffka(at)ph-freiburg.de
Prof.in Dr.in Petra Gretsch
Projektleitung
Teilprojekt B "Unterstützung"
petra.gretsch(at)ph-freiburg.de
Prof. Dr. Jürgen Wilbert
Projektleitung
Teilprojekt C „Methodik“
juergen.wilbert(at)uni-muenster.de
Birgit Vogt
Wissenschaftliche Mitarbeit
Teilprojekt A "Diagnostik"
bvogt(at)uni-koblenz.de
Markus Willmann
Wissenschaftliche Mitarbeit
Teilprojekt B "Unterstützung"
markus.willmann(at)ph-freiburg.de
VERÖFFENTLICHUNGEN
Vogt, B. (2024). The effects of generalisations on oral and written text comprehension. Posterpräsentation im Rahmen des 2024 Annual Meetings der ST&D, Chicago, USA.
Linnemann, M., & Vogt, B. (2024). Data-based decision making hierarchiehoher Lese- und Verstehensprozesse – Ein Modell. Posterpräsentation im Rahmen des 8. Treffens der AG Leseverstehen des Symposion Deutschdidaktik, Koblenz, Deutschland.
Vogt, B. (2024). The effects of generalisations on oral and written text comprehension. Posterpräsentation im Rahmen der JURE-Tagung, Sevilla, Spanien.
Vogt, B., & Linnemann, M. (2023). Learning potential of generalizations in school assignments – the teacher’s view. Vortrag im Rahmen der EARLI-Tagung, Thessaloniki, Griechenland.
Linnemann, M., Vogt, B., & Willmann, M. (2022). Die (schul-)politische Dimension der Sprachdiagnostik. Vortrag im Rahmen des 24. Symposion Deutschdidaktik, Wien, Österreich.
Goethe-Universität Frankfurt
Fachbereich Erziehungswissenschaften
Institut für Sonderpädagogik
Theodor-W.-Adorno-Platz 6
D-60629 Frankfurt am Main