Ressourcenorientierte Diagnostik von Lernverläufen (junger) Erwachsener an den Übergängen inklusiver Bildung

(Prof.in Dr.in Silke Schreiber-Barsch)

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Ressourcenorientierte Diagnostik von Lernverläufen (junger) Erwachsener an den Übergängen inklusiver Bildung

Lernverläufe (junger) Erwachsener mit Lernschwierigkeiten (auch bezeichnet als kognitive Beeinträchtigungen oder sog. geistige Behinderung) treffen an Übergängen inklusiver Bildung bis dato auf substantielle Forschungslücken wie -bedarfe. Das Projekt setzt mit der partizipativ und multiprofessionell angelegten Entwicklung, Pilotierung und Open-Access-Bereitstellung von MEIN.Profil an, einem alltagsintegrierten und ressourcenorientierten Diagnostikinstrument mit dem Ziel einer partizipationseröffnenden Wirkung von Lernergebnissen aus der Grundbildung.

In fachübergreifender Zusammenarbeit aus Erwachsenenbildung, Behinderten- und Schulpädagogik sowie Bildungspraxis und -administration und dem Personenkreis selbst wird in einem innovativen qualitativen Forschungsdesign unter Prinzipien Partizipativer Forschung und auf Grundlage von Bildungsberichterstattung in der Form eines regionalen Übergänge-Atlas das Diagnostikinstrumentarium gemeinsam mit dem Personenkreis entwickelt, getestet und in die Praxis transferiert.

MEIN.Profil bietet für den untererforschten und hochvulnerablen Personenkreis erstmals eine lernverlaufsbegleitende Erfassung und Dokumentation von Wissen, Fähigkeiten und Kompetenzen aus der Grundbildung als Fähigkeitsnachweis und Lernpotential zum Ziele persönlicher Entwicklung, sozialer Teilhabe und den Zugang zu Erwerbstätigkeit – ein Schlüsselkriterium für Diagnostik in einem menschenrechtlich fundierten Ansatz und System inklusiver Bildung und Lebenslangen Lernens und als eine Brücke zur Alpha-Dekade (2016-2026).

Zielsetzung und Fragestellung

Wie können Lernergebnisse der Grundbildung (Literalität und Numeralität) über ein alltagsintegriertes und ressourcenorientiertes Diagnostikinstrument (MEIN.Profil) erfasst und lernverlaufsbegleitend an den Übergängen inklusiver Bildung dokumentiert werden?

Forschungsmethode

Das Forschungsprojekt MEIN.Profil forscht qualitativ:

Leitend ist das Forschungsparadigma qualitativer Forschung unter Prämissen Partizipativer Forschung (von Unger 2014).

Das Forschungsdesign gliedert sich folgendermaßen:

  • Sekundäranalytische Auswertung eines qualitativen Datensatzes zu Erwachsenen mit Lernschwierigkeiten (Interviews; Teilnehmende Begleitungen) aus vorgängiger Forschung mithilfe einer qualitativen Inhaltsanalyse (Kuckartz 2018) zu Erfahrungswerten des Personenkreises mit pädagogischer Diagnostik und den Übergangssystemen.

  • Dokumentenanalyse ausgewählter existierender Portfolio-Instrumente zur Verbesserung des Übergangs bei gleichzeitiger Dokumentation von Fähigkeiten und/oder Tätigkeiten

  • Datenerhebung 1: Erstellung eines Hamburger Übergänge-Atlas: Das Tool unterstützt eine begründete Suchsystematik zur Dokumentation und Kartographierung der Einrichtungen sowie ein Berichtskonzept zur Analyse der gesetzlichen Rahmenbedingungen, der bildungspolitischen Vorgaben und der diagnostischen Instrumente (Schroeder 2016).

  • Datenerhebung 2: Gruppendiskussionen: Die durchzuführenden qualitativen Gruppendiskussionen (GD) (n=4; je ca. 6 Personen) folgen in der Erhebung der forschungsmethodologischen Tradition von Mangold (1960). Die qualitative Inhaltsanalyse (methodisch äquivalent zur Sekundäranalyse) als Auswertungsmethode arbeitet das Spektrum der Perspektiven heraus.

Der Forschungsprozess wird kontinuierlich begleitet von (a) einer Partizipativen Forschungsgruppe aus relevanten, multiprofessionellen Akteuren an Schnittstellen der Übergänge und Menschen mit Lernschwierigkeiten selbst sowie von (b) einem Projektbeirat (s.u.).

Status und Laufzeit

Status: laufend

Laufzeit des Projekts: Januar 2022 - März 2024

Standort(e)

Universität Duisburg-Essen

Kontaktadresse(n)

Prof.in Dr.in Silke Schreiber-Barsch / Universität Duisburg-Essen / Fakultät für Bildungswissenschaften / Institut für Berufs- und Weiterbildung / Universitätsstr. 2 / 45141 Essen / silke.schreiber-barsch(at)uni-due.de

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Hier geht es zur MEIN.Profil-Seite auf der Homepage der Universität Duisburg-Essen.

 

TEAM

Prof.in Dr.in Silke Schreiber-Barsch

Projektleitung

silke.schreiber-barsch(at)uni-due.de

Prof. Dr. Joachim Schroeder

Mitglied des Kernprojektteams

Joachim.schroeder(at)uni-hamburg.de

 

Dr.in Wiebke Curdt

Wissenschaftliche Mitarbeit

wiebke.curdt(at)uni-due.de

Negin Shah Hosseini

Wissenschaftliche Mitarbeit

negin.shah-hosseini(at)uni-due.de

Interview des Metavorhabens Inklusive Bildung mit dem Projekt im Rahmen des Newsletters Nr.2/2023

Beteiligte Personen: Prof.in Dr.in Silke Schreiber-Barsch, Prof. Dr. Joachim Schroeder, Dr.in Wiebke Curdt, Negin Shah Hosseini (Dipl.Psych.in).

Prof.in Dr.in Silke Schreiber-Barsch ist Professorin für Erwachsenenbildung an der Universität Duisburg-Essen. Forschungsschwerpunkte: Partizipation und Inklusion/Exklusion am Lebenslangen Lernen; Erwachsenenbildung und Behinderung; internationale und vergleichende Erwachsenenbildung; Global Citizenship Education und Politische Bildung.

Prof. Dr. Joachim Schroeder ist Professor für Pädagogik bei Beeinträchtigungen des Lernens und der sozial-emotionalen Entwicklung an der Universität Hamburg. Forschungsschwerpunkte: Arbeitsweltbezogene Grundbildung, Literacy unter erschwerten Lernbedingungen, sozialräumliche Konzepte milieunaher Bildung.

Dr.in Wiebke Curdt ist wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Duisburg-Essen, Arbeitsgebiet Erwachsenenbildung (seit Oktober 2021). Forschungsschwerpunkte: Erwachsenenbildung und Sport im Kontext Inklusion; Grundbildung von Erwachsenen mit Lernschwierigkeiten; Partizipative Lehre und Forschung.

Negin Shah Hosseini (Dipl.Psych.in) ist wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Duisburg-Essen, Arbeitsgebiet Erwachsenenbildung und Promovendin an der Universität Hamburg, Fakultät für Erziehungswissenschaften. Forschungsschwerpunkte: psychische Behinderung im Kontext von Flucht*Migration, Intersektionalität und Rassismuskritik.

 

Was verstehen Sie persönlich unter „förderbezogener Diagnostik für inklusive Bildung“?
Aus unserer Perspektive hat sich Förderdiagnostik als eine prozessorientierte, formative Diagnostik etabliert, die v.a. personenorientiert mit individualisierbaren Kombinationen aus quantitativen und qualitativen Verfahren arbeitet. Die Ergebnisse fließen bspw. in die Förderplanung oder, im Bereich der Erwachsenen-/Weiterbildung, in Instrumente wie den ProfilPASS als einem Kompetenznachweis ein. In MEIN.Profil verfolgen wir demgegenüber die Weiterentwicklung des Ansatzes einer inklusiven Diagnostik, die wir konzeptionell bearbeiten und in eine Praxis inklusiver Bildung transferieren wollen. Hierbei orientieren wir uns in unserem Verständnis von Behinderung an Arbeiten der Disability Studies und an dem bio-psycho-sozialen Modell der WHO. Damit setzen wir generalisierte bzw. normierte Vergleichsmaßstäbe von Lernstandsmessungen (wie bspw. Schulnoten) mit sozialen / interindividuellen und individuellen / intraindividuellen Vergleichen in Beziehung und nehmen darüber hinaus eine gesellschaftliche Einbettung dieser Vergleiche sowie eine Reflexion auch des professionellen pädagogischen Handelns vor (vgl. Zehle 2017; Breitenbach 2020). Alltag und Lebenswelt des Personenkreises sind komplexe Gefüge; eine darauf bezogene Diagnostik dürfe deshalb, so Eggert (1996), nicht „hinter die komplexen Bedingungen zurückfallen, die diesen Alltag“ (ebd., o.S.) kennzeichneten. Ziel einer so verstandenen „förderbezogenen Diagnostik für inklusive Bildung“ müsse deshalb unseres Erachtens ein „gemeinsames Explorieren durch koordiniertes Handeln“ (Hollenweger 2012, 12) sein, das die Ressourcen der Subjekte in den Mittelpunkt stellt.

Wie findet sich das in Ihrem Projektkontext wieder?
Entlang eines so geschärften Verständnisses einer ressourcenorientierten und alltagsintegrierten Diagnostik fokussieren wir im Projektkontext das Verständnis einer förderbezogenen Diagnostik für inklusive Bildung auf die Wahrnehmung und Aktivierung der personalen, sozialen und materiellen Ressourcen der Subjekte und durch die Subjekte zu dem Ziel, diese für Fähigkeitsnachweise und für lebenslaufbegleitende Lern- und Bildungsprozesse zu erschließen. Unsere Perspektive bezieht damit die jeweils wirksamen Ressourcen der unterschiedlichen Lebensbereiche des Personenkreises (Schule/Berufliche Bildung, Wohnen, Freizeit und Erwerbstätigkeit) mit ein. Jene Ressourcen speisen sich aus auf Lernen bezogene Anforderungen aus den Lebensbereichen, Gelegenheitsstrukturen für informelles Lernen oder auch aus dem Unterstützungsgefüge des Umfelds (z.B. Familie, Freunde, pädagogische Fachkräfte etc.). 
Ausgehend davon entfaltet Diagnostik unseres Erachtens ihr Potential insbesondere an den horizontal gelagerten institutionellen Schnittstellen sowie an den vertikal verorteten Übergängen inklusiver Bildung. Entsprechend relevant ist für uns aus pädagogischem Blick die Verknüpfung der Perspektive der Sozialräumlichkeit und des Lebenslangen Lernens, um die Lernverläufe (junger) Erwachsener ab dem Jugendalter bis zum Ruhestand, aus der Perspektive der Person mit Lernschwierigkeiten selbst sowie die sich jeweils ändernden Ressourcen und Institutionen über den Lebenslauf hinweg zu erfassen und zu dokumentieren.

Wer ist die Zielgruppe für die Ergebnisse Ihres Projekts und wie möchten Sie diese erreichen?
Im Fokus des Forschungsprojektes stehen die späteren Nutzer*innen von MEIN.Profil: (junge) Erwachsene mit Lernschwierigkeiten. Um MEIN.Profil nachhaltig in bestehende Strukturen der jeweiligen Lebensbereiche zu transferieren, entwickeln wir zum einen den „Übergängeatlas“, um potentielle Einrichtungen, Institutionen und „Orte“ zu identifizieren, an denen MEIN.Profil eingesetzt werden könnte. Zum anderen arbeiten wir in der partizipativen Forschungsgruppe intensiv mit Kolleg*innen aus der Praxis von Schule, Trägern der Erwachsenenbildung und Behindertenhilfe, Bildungsadministration usw. zusammen und stellen so bereits im Entwicklungsprozess und kontinuierlich sicher, dass die Ergebnisse (das Portfolioinstrument) nicht nur vermittelt, sondern dann auch von den Adressat*innen genutzt und von den Beteiligten der Forschungsgruppe als Multiplikator*innen weitergegeben werden. Über die qualitativen Erhebungen in Form von Interviews und Gruppendiskussionen werden zudem pädagogische Fachkräfte aus den Lebensbereichen Schule/Berufliche Bildung; Beratung; Erwachsenen-/Weiterbildung und Arbeit (arbeitsorientierte Bildung) er-reicht und ihr Wissen und ihre Erfahrungswerte mit integriert. Die Fachkräfte gelten als potentielle Unterstützer*innen für die Nutzer*innen mit Lernschwierigkeiten; allerdings gilt hier aus unserer Sicht prioritär das Wahlrecht letzterer, wer sie jeweils unterstützen kann und soll.

In die Zukunft gedacht: Stellen Sie sich den von Ihnen beforschten Kontext in 5 Jahren vor, woran wird man die Auswirkungen Ihres Projektes in der Praxis erkennen?
In 5 Jahren nutzen (junge) Erwachsene mit Lernschwierigkeiten in Hamburg (und hoffentlich auch darüber hinaus) in der Schule, Berufsschule und Beruflichen Orientierung, aber auch in der pädagogischen Beratung, Erwachsenenbildung/Weiterbildung und im Rahmen arbeitsorientierter Bildung sowie am Übergang in den Ruhestand MEIN.Profil. Das heißt, MEIN.Profil wird konkret in der Praxis und von den Personen selbst angewendet und auch die Administration inklusiver Bildung empfiehlt die Nutzung von MEIN.Profil. In Lerncafés und offenen Treffs im Sozialraum gibt es Beratungsangebote für Erwachsene mit Lernschwierigkeiten zur Nutzung von MEIN.Profil und das Bildungsnetz Hamburg bietet einen Kurs „MEIN.Profil“ an. 
Unser Ziel würde dann Realität geworden sein, dass MEIN.Profil dazu angeregt hat, die Selbstbestimmung, die Ressourcen und Fähigkeiten von Menschen mit Lernschwierigkeiten an den Schnittstellen und Übergängen inklusiver Bildung in den Vordergrund zu stellen. Pädagogische Fachkräfte setzen an diesen Fähigkeiten an, um Lernpotenziale gemeinsam mit den Personen selbst zu entdecken und Lernziele festzulegen.
Dies wird möglich sein, weil (junge) Erwachsenen über ein Instrument verfügen, mit dem sie selbst arbeiten können und welches ihnen ermöglicht, ihre Fähigkeiten und Wissen fortlaufend zu dokumentieren und zu aktualisieren. Durch die modulare Struktur des Instruments können die Nutzer*innen die aktuell in ihrer Lebensphase im Vordergrund stehenden Veränderungen in unterschiedlichen Lebensbereichen fokussieren und selbst darüber entscheiden, welche Fähigkeiten und Kompetenzen in den Lebensbereichen sie an welcher Stelle mit den Fachkräften teilen und bearbeiten möchten. Die Nutzer*innen können entlang ihrer eigenen Interessen und Wünsche, ihrer Fähigkeiten und Lernpotenziale lernen, einen Arbeitsplatz finden und in den Ruhestand begleitet werden. Dies ermöglicht auch, den Fachkräften an den Übergängen inklusiver Bildung eine konstruktive sowie an der Lebenswelt orientierte Unterstützung in unterschiedlichen Lebensbereichen anzubieten.

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