SprachNetz - Digitales Netzwerk Sprache, Bildung, Förderung
(Prof. Dr. Stephan Sallat & Prof. Dr. Torsten Schubert)
Fragestellung
Forschungsmethode
Status und Laufzeit
Standort(e)
Kontaktadresse(n)
SprachNetz - Digitales Netzwerk Sprache, Bildung, Förderung
Sprachliche Fähigkeiten von Kindern sind zentral für deren Bildungserfolg. Daher adressieren unterschiedliche früh-/heil-/sonder-/schulpädagogische sowie medizinisch-therapeutische Institutionen und Akteure die Entwicklung, Förderung und ggf. Therapie dieser Fähigkeiten. Die Maßnahmen sind jedoch oft nur wenig aufeinander bezogen, da sie auf verschiedenen Verantwortlichkeiten und Finanzierungen beruhen (SGB, Heilmittel, Kultus). Dies führt für die Eltern, aber auch für die Fachkräfte in Kitas und Schulen zu einer unübersichtlichen Situation und beeinträchtigt den Erfolg dieser Maßnahmen.
Die Plattform SprachNetz nutzt daher die Potentiale digitaler Medien für die integrierte Zusammenführung diagnostischer und förderbezogener Informationen und Maßnahmen. Durch virtuelle Runde Tische werden interdisziplinäre Netzwerke von pädagogischen und medizinisch-therapeutischen Fachkräften sowie Eltern ermöglicht, welche die inklusive Gestaltung von allgemeinen und sprachlichen Bildungs- und Entwicklungsprozessen sowie von Systemübergängen gemeinsam verantworten (z.B. Familie-Kita, Frühförderung/Therapie-Kita, Kita-Schule). Ebenso werden im Projekt digitale Bildungsangebote für Fachkräfte und Eltern zum Aufbau förderdiagnostischen Wissens und Kompetenz umgesetzt sowie digitale Formen von Qualitätsmanagement und Verlaufsdiagnostik erprobt. Final werden durch SprachNetz alle Maßnahmen zu einem digitalen Gesamtangebot verknüpft und in der Praxis implementiert.
Das Projekt SprachNetz bearbeitet folgende Forschungsfrage:
- Wie können Diagnostik und interdisziplinäre Kooperation in der Begleitung und Förderung der (sprachlichen) Bildungs- und Entwicklungsprozesse von Kindern durch digitale Medien unterstützt und der gleichzeitige Erwerb digitaler förderdiagnostischer Kompetenzen und fallbezogenen Wissens der beteiligten Akteure optimiert werden?
Das Projekt SprachNetz folgt einem Mixed-Methods-Ansatz.
Status: laufend
Laufzeit des Projekts: Juli 2021 bis Juni 2026
Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
Prof. Dr. Stephan Sallat / Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg / Institut für Rehabilitationspädagogik / Pädagogik bei Sprach- und Kommunikationsstörungen / Franckeplatz 1 / 06110 Halle / stephan.sallat(at)paedagogik.uni-halle.de
TEAM
Prof. Dr. Stephan Sallat
Projektleitung
stephan.sallat(at)paedagogik.uni-halle.de
Prof. Dr. Torsten Schubert
Co-Leitung, uniinterne Kooperation
torsten.schubert(at)psych.uni-halle.de
Maren Eikerling, PhD
Wissenschaftliche Mitarbeit
maren.eikerling(at)paedagogik.uni-halle.de
Stefanie Hahn
Wissenschaftliche Mitarbeit
stefanie.hahn(at)paedagogik.uni-halle.de
Mattes Angelus
Mitarbeit: Schwerpunkt technische Umsetzung der digitalen Plattform
mattes.angelus(at)llz.uni-halle.de
Interview des Metavorhabens Inklusive Bildung mit dem Projekt im Rahmen des Newsletters Nr.3/2023
Beteiligte Personen: Prof. Dr. Stephan Sallat, Dr.in Maren Eikerling
Prof. Dr. Stephan Sallat ist Professor für Pädagogik bei Sprach- und Kommunikationsstörungen an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU) / Institut für Rehabilitationspädagogik. Forschungsschwerpunkte: Spracherwerb, (sprachheil-)pädagogische / therapeutische Sprachstörungen, Sprachförderung, Sprachtherapie, Musiktherapie, Pragmatik / Entwicklung und Diagnostik, Bildungs- und Berufsbiographien bei Sprachentwicklungsstörungen bzw. sprachlichem Förderbedarf.
Dr. Maren Eikerling hat Klinische Linguistik an der Universität Bielefeld studiert und in einer logopädischen Praxis gearbeitet, bevor sie im EU-finanzierten „MultiMind“-Projekt am IRCCS Medea und der Universität Mailand-Bicocca (Italien) zu computergestützten, zweisprachigen Sprach- und Lese-Screenings für mehrsprachige Kinder promovierte. Im Projekt „SprachNetz – Digitales Netzwerk Sprache, Bildung, Förderung“ an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg setzt sie sich derzeit mit digitalen Ressourcen zur interdisziplinären Vernetzung der Berufsgruppen auseinander, die sich mit kindlicher Sprachentwicklung und ihren Störungen beschäftigen.
Forschungsschwerpunkte: Spracherwerb, -diagnostik und -therapie, Intervention bei Lese- und Rechtschreibschwierigkeiten, Mehrsprachigkeit, Interdisziplinarität
Was verstehen Sie persönlich unter „förderbezogener Diagnostik für inklusive Bildung“?
Letztlich geht es um die kooperativ-interdisziplinäre Ableitung von individuellen (sonder)pädagogischen und/oder medizinisch-therapeutischen Hilfen, welche die bildungsbezogene Teilhabe des Kindes verbessern. Die Kooperation von Akteuren des Bildungs- und Gesundheitswesens für die inklusive Schule (KMK, 2011) und für Formen der sprachlichen Prävention wird schon länger und vielfältig angemahnt (Sallat, Hofbauer & Jurleta, 2017; Jungmann et al., 2018). Aus unserer Sicht sollten innovative Möglichkeiten der digitalen interdisziplinären Kooperation in Diagnostik und Förderung entwickelt werden, die die inklusive Bildung in unterschiedlichen Förderbereichen und Regionen erleichtern und übertragbar machen. An der Martin-Luther-Universität Halle gibt es – wie auch an anderen Hochschulen – bereits hochschuldidaktische Erfahrungen im Umgang mit digitalen Plattformen für multimediales Lehren und Lernen sowie der Arbeit in virtuellen Räumen, z. B. Webinare mit Adobe Connect. Diese Technologien und Erfahrungen erweitern vorhandene Kommunikationskanäle und eröffnen neue Möglichkeiten, besonders für eine multilateral abgestimmte förderbezogene Diagnostik mit dem Vorteil des sicheren Austauschs sensibler Daten. Klar ist doch, dass digitale Medien die Möglichkeiten einer förderbezogenen Diagnostik neu definieren, weil sie die Förderdiagnostik und Förderplanung standortunabhängig und institutionsübergreifend Diagnostik erleichtern können. Von darauf bezogenen Projekten profitiert die interdisziplinäre Kooperation unter sämtlichen Akteuren der inklusiven Bildung. Die Maßnahmen können aus unserer Sicht viel einfacher aufeinander bezogen werden, weil z. B. eine Übertragung diagnostischer Ergebnisse auf die Versorgung im ländlichen Raum oder in andere Entwicklungs- oder schulische Kompetenzbereiche einfacher und oft auch barrierefreier durchführbar ist.
Wie findet sich das in Ihrem Projektkontext wieder?
Als Möglichkeit des Austausches von Fachkräften aus Kita, Schule, Gesundheitsamt, Therapie/Frühförderung und den Eltern wurden in den letzten Jahren analoge Runde Tische vorgeschlagen und z.B. in Form von Bildungspartnerschaften umgesetzt und evaluiert, allerdings war der zeitliche und personelle Aufwand immer problematisch (Krebs u. a. 2012). Dagegen setzt unser digitales Konzept von SprachNetz auf den ortsunabhängigen und zeitlich effektiven interdisziplinären Austausch sowie auf die Kooperation in Diagnostik und Förderung bei einer ungemein wichtigen Zielgruppe, nämlich bei Kindern im Alter von 4-9 Jahren mit Spracherwerbsstörungen und sprachlichem Förderbedarf. Für diese Kinder ist gerade der System-Übergang von der Kita in die Schule durch die Gleichzeitigkeit von integrierten und/oder externen sprachlichen Bildungs-, Förder- und Therapiemaßnahmen besonders herausfordernd. Dort setzt unsere Arbeit an.
Was finden Sie am spannendsten in Ihrem Projekt?
Es kommt ja darauf an, dass förderbezogene Diagnostik für die Betroffenen so früh und so effektiv wie möglich einsetzt – das funktioniert im Ganzen nur, wenn sich für die erfolgreiche Gestaltung dieses Systemübergangs und für ein inklusives Bildungssystem alle möglichen Maßnahmen aufeinander beziehen. Aktuell ist die Situation aber oft so, dass zwar Maßnahmen der primären, sekundären oder tertiären sprechsprachlichen Prävention (Sprachbildung, -förderung, -therapie) umgesetzt werden, sie aber mit Früh-, Heil-, Schul- und Sonderpädagogik sowie mit Heilmitteln, Sozialgesetzbuch und Kultus in unterschiedlichen Systemlogiken gedacht sind, also beinahe damit kollidieren oder aneinander vorbeilaufen (vgl. Sallat, 2014; Sallat, Hofbauer & Jurleta, 2017). In der Praxis führt diese Heterogenität in Zuständigkeit und Finanzierung (Sprache & Gesundheit vs. Sprache & Bildung) für alle Beteiligten, aber vor allem für die Eltern zu einer unübersichtlichen Situation mit unguten Auswirkungen auf die Qualität der Diagnostik- und Förderplanung. Das ist die spannendste Frage: Werden wir es schaffen, diese Schwierigkeit zu überwinden?
Wer ist die Zielgruppe für die Ergebnisse Ihres Projekts und wie möchten Sie diese erreichen?
Wie schon gesagt, das Projekt SprachNetz will als digitales Beratungs- und sprachbezogenes Bildungsangebot möglichst viele Fachkräfte aus Kita, Schule, Gesundheitsamt, ambulanter und klinischer Therapie bzw. Frühförderung und Eltern zusammenbringen, um Kindern im Alter von 4-9 Jahren zu helfen, die Spracherwerbsstörungen und sprachlichen Förderbedarf haben. Umgesetzt durch virtuelle Runde Tische und das ganzheitliche Zusammenbringen und gemeinsame Betrachten von diagnostischen Informationen aller Akteure mit Hilfe des SprachNetz_Profil Es geht um ein ganzheitliches digitales Konzept für die interdisziplinär vernetzte Bildungs- und Förderplanung an Systemübergängen. Beim SprachNetz werden neben Beratungsangeboten und der Ermöglichung des interdisziplinären förderbezogenen Austausches über die virtuellen Runden Tische und SprachNetz_Profil auch fallbezogene digitale Lehr- und Lernangebote sowie Beobachtungsaufgaben implementiert und das soll bei den Fachkräften und Eltern zu einer Wissens- und Kompetenzerweiterung in Bezug auf Sprachentwicklung/-förderung/- therapie sowie Digitalisierung führen. Unser langfristiges Ziel ist es, dass sich SprachNetz in allen Kreisen und Städten sowie im ländlichen Raum Sachsen-Anhalts etabliert. Dazu werden wir in den kommenden Jahren mit Praxiskoordinator*innen, als interdisziplinär erfahrene Personen in der frühkindlichen und schulischen Bildung, in den Landkreisen Nutzerschulungen/Workshops zu SprachNetz durchführen. So sollen die Akteure bei der Umsetzung der digitalen Bildungs- und Förderplanung über SprachNetz unterstützt werden. Zudem organisieren wir landesweite analoge Netzwerktreffen, da aus unserer Sicht starke persönliche und lokale Netzwerke eine wichtige Grundlage für die digitale Zusammenarbeit darstellen.
In die Zukunft gedacht: Stellen Sie sich den von Ihnen beforschten Kontext in 5 Jahren vor, woran wird man die Auswirkungen Ihres Projektes in der Praxis erkennen?
Die sich ständig entwickelnden Potentiale digitaler Medien sind für die Planung und Gestaltung von individuellen und gemeinsamen Bildungsbiographien nutzbar gemacht worden, was sich am Abbau von Bildungsbarrieren zeigen lässt. Bereits etablierte Formen der Telemedizin wie Diagnostik, Beratung, Therapie und unsere digitale Lehr-Lernplattform SprachNetz sind nun so eng miteinander verbunden, dass wir mittlerweile von einer fest etablierten digitalen Plattform für die inklusive pädagogische Praxis sprechen können. SprachNetz ist zur interdisziplinären Bildungs- und Förderplanung im Bereich Sprache und Kommunikation geworden und wird häufig von zahlreichen Usern besucht, auch, weil die technische Umsetzung und Funktionsweise der Plattform nutzerfreundlich und weitgehend barrierefrei zugänglich ist. Der Wissens- und Kompetenzerwerb der beteiligten Akteure in Bezug auf Sprachentwicklung, sprachliche Bildung und Sprachförderung sowie in Bezug auf digitale Diagnostik, Beratung und Förderung ist immens gewachsen. Vor allem die Kooperation unserer Akteure (Eltern, pädagogische und medizinisch-therapeutische Fachkräfte) ist infolge der digitalen Bildungs-, Entwicklungs- und Förderplanung auf SprachNetz qualitativ so sehr verbessert, dass es sich nachweislich positiv auf die Bildungspartizipation der Kinder auswirkt. Dazu wäre es toll, wenn die von uns entwickelten digitalen Möglichkeiten für die interdisziplinär vernetzte Förderplanung auch für andere Entwicklungs-, Förder- und Altersbereiche genutzt wird.
VERÖFFENTLICHUNGEN
Sallat, S., Busch, M., Helbing, N., Hahn, S. & Eikerling, M. (2022). SprachNetz: Digitale interdisziplinär vernetzte Planung von sprachlicher Bildung, Sprachförderung und Sprachtherapie. In M. Spreer, M. Wahl & H. Beck (Hrsg.), Sprachentwicklung im Dialog: Digitalität–Kommunikation–Partizipation. Idstein: Schulz-Kirchner, S. 395-409.
Goethe-Universität Frankfurt
Fachbereich Erziehungswissenschaften
Institut für Sonderpädagogik
Theodor-W.-Adorno-Platz 6
D-60629 Frankfurt am Main